Madeleine ist sehr aufgeregt. Sie rennt hin und her, gibt Anweisungen, kommt zurück zu uns, stellt Fragen, rennt wieder weg.
Das Ergebnis ihrer Aktivität: wir bekommen eine nicht vorher angemeldete Extraführung (24 Stunden vorher ist sonst das absolute Minimum) durch das Allerheiligste der Hauptstadt: Den Kongresssaal und den Senatssaal. Nicht mal auf die Besucherränge müssen wir, wir dürfen direkt in den Sitzungsbereich.
Wie kam es dazu?
Natürlich über Vitamin B. Der Schwiegersohn von Alberto, Fabiano, ist der persönliche Referent des Vizepräsidenten des brasilianischen Kongresses. Wir hatten uns mit ihm verabredet im Rahmen unserer Stadttour durch Brasilia. Gedacht war eigentlich nur, dass er uns ein paar Räume und Ecken zeigt im Kongress, vom Senat war gar keine Rede gewesen. Aber als wir dann dort ankamen, trafen wir Madeleine, und sie hat ihre ganz eigene Geschichte in diesem Haus. Jahrzehntelang war sie die Leiterin der Sicherheitsabteilung gewesen, und irgendwann erschien sie den Verantwortlichen der Personalabteilung zu alt für diesen Job und man gab ihr ein winziges Büro, in dem sie irgendwelche langweiligen Büroarbeiten machen sollte. Sie wehrte sich dagegen und erhob Einspruch beim zuständigen Chef, und das war eben der Vizepräsident des Kongresses. Dieser setzte durch, dass sie ihren Job behalten konnte, wofür sie ihm sehr dankbar war. Als sie nun erfuhr, dass der persönliche Referent dieses Vizepräsidenten seinen Schwiegervater und dessen Freunde im Schlepptau hatte, organisierte sie uns diese Spezialführung in jene Bereiche, in die sonst kein Tourist hinein kommt, eben in den Kongress
und in den Senat, hier mit unserer englisch sprechenden Führerin.
(Das Titelbild ist ebenfalls im Senat aufgenommen worden.)
Madeleine hat uns dabei hausintern als very important persons from Germany bezeichnet. Die Tatsache, dass diese very important persons für diesen Ort relativ unangemessen gekleidet waren, nämlich mit Sandalen und Poloshirt herum liefen, hat sie dabei geflissentlich übersehen. Stattdessen hat sie Christine und mich mehrfach als beautiful couple bezeichnet.😊
Das war eine hochinteressante Stunde in Brasilia.
Ein paar Daten zur Stadt sollen nicht fehlen:
Mit dem Namen Brasilia ist untrennbar der Name Oskar Niemeyer (1907-2012) verbunden, ein brasilianischer Architekt. Er entwarf die öffentlichen Gebäude.
Der Beschluss, eine neue Hauptstadt zu bauen, die die bisherige Hauptstadt Rio de Janeiro ablösen sollte, fiel bereits 1891. In diesem Jahr wurde das Projekt in der Verfassung verankert. 1922 fand die Grundsteinlegung statt, 1960 wurde die Stadt eingeweiht. Natürlich gab es auch in den Jahren und Jahrzehnten danach noch unzählige weitere Baumaßnahmen.
Der Grundriss dieser Stadt sieht aus wie ein Flugzeug.

Aber da streiten sich die Leute und die Quellen. Man spricht von einem Missverständnis, weil es sich in der Grundform um ein Kreuz gehandelt haben soll, dessen horizontalen Balken man gebogen habe, um sich den landschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Ein christliches Grundkonzept. Aber die Einwohner von Brasilia, die Candangos genannt werden, sprechen gerne davon, dass es sich um ein Flugzeug handelt. Eine Stadt im Aufbruch.
Wie auch immer- beide Ideen haben einen gewissen Charme.
Unser Streifzug durch Brasilia brachte uns von einem Verwaltungsgebäude des Kongresses
zum Justizpalast und dann weiter zu einem Paradeplatz.
Dort wurde geübt für die Parade am 7. September, das ist der Feiertag zu Ehren der Unabhängigkeitserklärung von Portugal im Jahr 1822.
Außer den politischen Sehenswürdigkeiten haben wir uns natürlich auch kirchlich umgesehen.
Darüber berichte ich im nächsten Blogeintrag.