05/10/2023

Nyami Nyami

Über 8 Stunden Autofahrt von Bulawayo entfernt, im Norden von Simbabwe, ist vor vielen Jahren Nyami Nyami aufgetaucht. Das ist ein seltsames Wesen, halb Fisch und halb Schlange. Das heißt, es könnten auch zwei Wesen sein, ein männliches und ein weibliches. Das sagen jedenfalls die Eingeborenen hier. Stellt sich die Frage, ob es denn schon Nachwuchs hat. Davon weiß hier aber niemand etwas.

Trotz vielerlei Anstrengungen und dem Einsatz von allen acht uns zur Verfügung stehenden Augen hat es sich nicht gezeigt, geschweige denn vor meine Kamera getraut. Das Foto, das ich dennoch gemacht habe, zeigt eine traditionelle Darstellung.
Nyami Nyami ist erst so richtig bekannt geworden, als der Kariba-Staudamm fertig war. Ein Jahrhundertprojekt, das 1960 von Queen Mum in Betrieb genommen wurde.

Die Kariba-Talsperre liegt in der Kariba-Schlucht des Sambesi entlang der Grenze von Simbabwe und Sambia. Sie gehört zu den größten Staumauern bzw. -seen der Welt und wurde zwischen 1956 und 1959 gebaut.

Die Staumauer ist 128 m hoch und 617 m lang bei 1.032.000 m³ Mauervolumen. Das Fundament ist 24 m breit. Am besten lest ihr die technischen Daten selber:


Wer Fragen zur Technik von Staumauern und den daraus sich ergebenden Folgen hat, kann sich aber auch an Christines Vater wenden. In seinem aktiven Berufsleben war Georg Professor für Grund- und Wasserbau. Er kann diese ganzen technischen Daten und deren Zusammenhänge und Hintergründe am besten erklären.

Die Sicht auf den Damm und von ihm in alle Richtungen ist faszinierend.

Und noch ein paar weitere Ansichten rund um den Lake Kariba (den ich seit gestern auch the KARIBbeAn Sea, die karibische See nenne😎)



Das Panoramafoto verzerrt die Optik; der Sambesi ist hier natürlich nicht so gewunden. Aber das war es mir wert:

Kleiner Exkurs: Wir sahen die Transportmittel für die Reichen aus der Ferne…


… und für das normale Volk aus der Nähe…


Ende des Exkurses.

Das ganze war ein Prestigeprojekt. Aber hier gibt es sehr viele Schattenseiten.

Zum Beispiel lebten hier die Tonga, ein bantusprachiges Volk. Bis 1955 war es fast völlig isoliert. 57000 Menschen wurden dann in bewährter kolonialistischer Manier “umgesiedelt” in die höher gelegene Savanne – ihr bisheriger Lebensraum in der Karibaschlucht zwischen Sambia und Simbabwe wurde für den künftigen Stausee gebraucht. Nun kann man ja vieles verstehen; der Stausee war und ist wichtig für die Stromversorgung beider Länder. Leider haben aber viele Tonga nicht begriffen, dass ihr Zuhause absehbar überflutet sein würde, was zu vielen Dramen geführt hat. Dazu kommt, dass die Tonga bis heute von den wirtschaftlichen Vorteilen, die sich aus dem Stausee ergeben, völlig abgeschnitten sind.

Ein zweites Beipiel: Auch der Lebensraum der Tiere wurde natürlich geflutet. Daher starteten mutige Tierschützer 1960 die bekannte “Operation Noah”, um möglichst viele Tiere zu retten – das ganze, während das Tal schon geflutet wurde. Sie konnten mit ihren Booten tatsächlich 6000 große und ungezählte kleine Tiere retten, unter anderem, in dem sie die (großen) Tiere an Land trieben.  Etliche Tiere aber gerieten durch das vorübergehende Eingefangensein in so großen Stress, dass ihre Körpertemperatur stark anstieg. Sie starben dadurch oder wurden sehr krank. Deshalb ergriff man eine besondere Maßnahme: Die Tiere wurden, schon bevor man mit den Booten an Land kam, ins Wasser getrieben, so dass sie sich den kurzen Weg noch schwimmend retten konnten. Dadurch kühlten sie sich aber wieder ab, und das rettete ihnen das Leben.

Es gab auch Tiere, die sich nicht retten lassen wollten, z.B. starb eine ganze Elefantenfamilie, die nicht zu bewegen war, von ihrer immer kleiner werdenden Insel wegzugehen – obwohl Elefanten schwimmen können.

Während des Baus starben übrigens auch mehr als 100 Arbeiter bei Arbeitsunfällen.

Seit 2015 läuft ein 10-Jahres-Projekt zur Renovierung des Staudammes, z.T. notwendig wegen verschiedener unprofessioneller Maßnahmen. Ein Bruch der Mauer hätte unabsehbare Folgen für Mensch, Tier und Flora mindestens in Sambia, Mozambik und Simbabwe.

Kommen wir zurück zu Nyami Nyami. Der ist nämlich einer der wichtigsten Götter der Tonga und hat als Flussgeist über Jahrhunderte dafür gesorgt, dass die Tonga gut mit Fischen und mit Wasser für die  Felder versorgt waren und dadurch alles hatten, was sie zum Leben brauchten. Die Tonga haben zwei religiöse Schwerpunkte: die Anrufung ihrer Götter und ebenso ihrer Ahnen.

Durch den Bau der Staumauer jedoch sei Nyami Nyami wütend geworden und habe für die Überflutung gesorgt. Auch für die vielen Todesfälle auf der Baustelle sei er verantwortlich. Und auch für die vielen Erdbeben (die durch den ungeheuer großen Druck des Wassers entstanden sind und durchaus auftreten können). Nur durch die vielen Gebete und Anrufungen vor allem der Ahnen sei er besänftigt worden, daher hätten die Todesfälle aufgehört.

Inzwischen habe er sich zurückgezogen.

Einige Tonga hoffen, dass Nyami Nyami eines Tages wieder kommt und sie wieder zurückführt zu den früheren Wohngebieten, also dorthin, wo jetzt der Stausee ist.

Viele Grüße!
P.S. Nyami Nyami ist wieder da. Jedenfalls ist heute morgen der Strom in ganz Kariba ausgefallen.  Ausgerechnet. Im Rest des Landes könnte ich das ja verstehen, aber das hier kann kein Zufall sein.

Kann bitte jemand Kontakt mit den Ahnen aufnehmen?

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