Nach vier Wochen intensiver Begegnungen und Erfahrungen in vier verschiedenen Ländern (Vereinigte Arabische Emirate, Südafrika, Simbabwe und Kenia) bereiten wir uns gerade auf den Rückflug vor. Heute abend fliegen wir von Nairobi nach Dubai, und nach ein paar Stunden Aufenthalt dort geht es weiter nach München, wo wir – so sagt es jedenfalls der Flugplan- am frühen Nachmittag landen werden.
Wir freuen uns auf zu Hause. Eine gewisse Sehnsucht nach europäischen, deutschen Rahmenbedingungen ist schon da…
Zum Beispiel die Sehnsucht, beim Zähneputzen mal wieder Leitungswasser nehmen zu können, und nicht fragen zu müssen: Haben wir noch genug Mineralwasser? Nein? Und wo bekommen wir das jetzt her?
Oder mal ohne Moskitonetz zu schlafen, und sich nicht jeden Abend mit jener fürchterlich riechenden (ich übertreibe maßlos) Substanz einreiben zu müssen, die die Moskitos abhalten soll, die wir aber inzwischen nicht mehr riechen können… Oder mal wieder Salat zu essen… Oder davon auszugehen, dass wir immer Strom haben und warmes Wasser…
Da gibt es schon so manche Kleinigkeit, die wir wieder genießen werden.
Aber das ist nichts gegen die Sehnsucht, die wir bei einigen Afrikaner(innen) gespürt haben, denen wir im Verlauf dieser Wochen begegnet sind.
In Südafrika war das Sam, der als Touristguide durch den Krüger Nationalpark führt, und der sich in seiner Pfarrei für HIV-positive und aidskranke Kinder einsetzt. Seine Sehnsucht ist zum Beispiel die nach mehr finanzieller Zuwendung für seine Schützlinge von Seiten der Regierung.
Oder in Simbabwe: Da war es Diakon Nkomo, der gegen Korruption in seinem Land kämpft und der sich sehnt nach einer Gesellschaft, die wieder neu lernt, was Gerechtigkeit bedeutet.
Oder hier in Kenia ist es Catherine, die mit ihren 24 Jahren alleine im Leben steht. Sie hat ihre Mutter vor 6 Jahren verloren, einen Vater gibt es nicht und sie findet im Moment keine Arbeit als Einzelhandelskauffrau. Die Begegnung mit ihr war zunächst sehr distanziert, aber nach ein paar Stunden und meinem verzweifelt-fröhlichen Versuch, ein paar Worte zu ihr auf Kishuaeli zu sagen, taute sie auf und zeigte sich bei unserer Abfahrt sehr ausgelassen (siehe Beitragsbild), und dann wollte sie doch noch “richtig” auf das Foto.
Ihre Sehnsucht hat sie so ausgedrückt: “Ich möchte nach Deutschland und dort sehen, wie es da aussieht.”
Und dann weiter: “Ihr müsst mich einfach einladen!” (inkl. Flug etc).
So ein Wunsch ist uns in den letzten vier Wochen mehrfach vorgetragen worden.
Catherine gehört zur Großfamilie von Patrick und war bei ihren Großeltern zu Besuch. Die Familie von Patricks Eltern lebt auf dem Land in äußerst einfachen Verhältnissen. Von außen nimmt man das zunächst gar nicht richtig wahr.
Aber die Familie hat keinen Strom, nur mit Hilfe einer winzigen Solaranlage gibt es etwas Elektrisches Licht.
Es gibt auch kein fließendes Wasser, und geschlafen haben Christine und ich gemeinsam in einem Bett, das mit 1,85 mal 1,20 m nicht sehr groß genannt werden kann. Wir haben uns arrangiert…
Die Familie kann sich meistens selber versorgen. Zur Zeit ist alles sehr trocken, aber sie haben eine klitzekleine Landwirtschaft und kommen gerade so über die Runden. Wir haben uns da mal umgesehen:
Nach anfänglichen Verständigungsproblemen (Mutter und Vater sprechen nur Kikamba und Kisuaheli) war aber doch viel Herzlichkeit zu spüren, und wir haben viele kleine freundliche Signale gesendet. Wären wir länger geblieben, wäre es sicher noch besser geworden.
Am nächsten Morgen nahmen wir an einer Messe teil, die typisch afrikanisch begann, nämlich erst mal gar nicht.
Die offizielle Zeit für den Sonntagsgottesdienst ist 10.30 Uhr. Aber aus Gründen, die ich mal pastoral klug nenne, beginnt man erst um 11.00 Uhr. Viele Menschen dort haben keine Uhr, und sie gehen folglich nach Gefühl und Sonnenstand in die Kirche. Also fängt der Priester später an. Wir kamen um 10.50 dort an, weil Patrick noch in der Pfarrkirche einen Messkoffer holen musste. Der Gottesdienst war dann in einer Filialkirche. Patrick stellte dann fest, dass seine Albe vergessen worden war, und er schickte daher eine Frau aus der Gemeinde los, diese im Pfarrhaus zu holen. Er nutzte die Zeit einfach zum Beichthören, und zahlreiche Menschen nahmen das Angebot gerne an.
11.40 begannen wir dann mit der Messe, die in vier Sprachen gefeiert wurde: Zunächst Kikamba und Luo, weil die Leute das dort sprechen, dann die Lesungen auf Kisuaheli, weil Kikamba und Luo nicht mehr geschrieben werden, nur gesprochen, und ganz wenig auf englisch. Es gab einen Frauenchor, der begeistert die Messe mit gestaltet hat, und die Menschen haben singend und betend mit viel Fröhlichkeit mitgemacht. Wir waren mittendrin, aber natürlich haben wir nur einen Bruchteil verstanden. Aber, mal wieder: es war katholisch, und dadurch waren wir zu Hause.
Nach dem Essen besuchten wir eine Rehabilitationseinrichtung für Kinder mit Behinderungen, allerdings waren gar keine Kinder da- alle in den Ferien.
Die Arbeit, die dort hauptsächlich von indischen Schwestern geleistet wird, ist ein großer Gewinn für die Kinder. Denn bis 2002 wurden diese Kinder von ihren Familien versteckt. Erst als die Kirche sagte: Bringt uns diese Kinder, konnte man mit der Förderung beginnen.
Die Innenausstattung ist äußerst einfach. Als ich die Physiotherapieeinrichtung sah, hab ich schlucken müssen, weil ich verschiedene Rehaeinrichtungen aus Augsburg kenne, und war gleichzeitig überrascht über die Möglichkeiten, die die Schwestern dort immer wieder finden, für ihre Schützlinge das Bestmögliche herauszuholen: Bestimmtes therapeutisches Spielzeug wird beispielsweise irgendwo anders gesehen, dann fotografiert oder abgemalt und mit Hilfe eines örtlichen Tischlers kopiert, so dass langsam aber sicher die therapeutischen Möglichkeiten wachsen.
Viele Kinder lernen einen einfachen Beruf, um dann wieder nach Hause geschickt zu werden. Sie können dann durch einfache handwerkliche Arbeiten etwas Geld für die Familie hinzuverdienen, was eine große Hilfe für die Familie darstellt. Dadurch kommen sie raus aus der Isolation und die Eltern lernen, ihre Kinder neu zu schätzen.
Auf der Fahrt durchs Land wurden wir mehrfach als wazungo bezeichnet, vor allem von Kindern und Jugendlichen. Das kann man ganz freundlich mit “Weiße Leute” übersetzen, aber dieses Wort (Einzahl: Mzungo) gab es schon, bevor ein hellhäutiger Mensch erstmals im Land war. Es bedeutet nämlich auch: außergewöhnlich, fremdartig, sonderbar, eigenartig oder auch verrückt. Manche verbinden damit auch: Das sind reiche Leute, bei denen kann man was holen. Das haben wir auch schon in Zimbabwe erfahren müssen. Dort gab es auf unserer Fahrt nach Kariba eine Gruppe von Jugendlichen, die sich in einem Supermarkt auf Shona abgesprochen haben, als sie Christine gesehen haben, ihr den Rucksack zu klauen. Glücklicherweise stand Senzeni daneben, und da sie neben Tonga und Ndebele auch Shona spricht, hat sie kurzerhand interveniert und die Jungs mal gefragt, wie das Ganze denn ablaufen solle. Die Jungs waren dann ziemlich schnell abgetaucht.
Hier waren es Kinder und Jugendliche, die uns im Auto gesehen haben. Da konnte nichts passieren. Aber wir waren wohl die ersten Weißen, die sie in ihrem Leben gesehen haben. Kleine Kinder haben sich immer wieder in den letzten Wochen staunend vor uns gestellt und wohl überlegt, wie in aller Welt man denn so aussehen könne.
Und die kleinen Neffen und Nichten von Pater Patrick hatten richtige Angst vor Christines Aussehen, so dass hier eine Begegnung überhaupt nicht möglich war.
Ich denke, dass wir da noch am Anfang stehen – es braucht viele, viele Begegnungen zwischen allen möglichen Menschen aus allen möglichen Ecken dieser Welt, um mehr Verständigung und Verständnis herbei zu führen. Vielleicht hilft das ja auch, Antworten auf die großen Sehnsüchte dieser Welt zu finden.