2022 ist zu Ende, 2023 hat nun überall auf der Erde begonnen. In meinem Newsletter gestern an die Gemeinde habe ich vorgerechnet, dass ein Jahr einundreißigmillionenfünfhundertsechsundreißigtausend Sekunden hat. Und dann erklärt, dass wir in unserem Leben nicht so viele gute Momente brauchen. Ein paar kostbare Momente zu haben ist aber doch ganz schön. Und andere, nicht so kostbare, eher schwere Momente, gibt es ja auch.
Da ich mich zur Zeit zum Momentensammler entwickle, möchte ich von einigen hier berichten. Und weil diese Momente durchaus viel Inhalt hatten, wird das hier ein etwas längerer Artikel. Allerdings mit vielen Fotos und einigen Videos!
Viel Spaß beim Lesen und anschauen.
Ihr habt gemerkt, dass ich jetzt einige Wochen nichts in meinem Reiseblog geschrieben habe. Das lag zum einen daran, dass wir nicht so viel gereist sind, zum anderen aber daran, dass ich eigentlich permanent am Laptop sitze und Texte schreibe und es einfach nicht mehr geschafft habe, noch mehr zu schreiben. Zu den Texten gehören zum Beispiel meine Predigten, die ich auch alle veröffentliche, und der Adventskalender mit 29 Beiträgen.

Ich mag es, wenn so ein ein Adventskalender schon am 1. Advent beginnt und nicht erst am 1. Dezember. Dazu der wöchentliche Newsletter: Hier zum Nachlesen, hier zum Abonnieren, dazu fällt eine Menge Korrespondenz an und zur Zeit liegen die digitalen Formulare für den Finanz- und Aktivitätsbericht, den das Auslandssekretariat in Bonn für 2022 verlangt, auf dem Schreibtisch. Zudem baue ich zusammen mit der 15jährigen Ayana langsam unseren Instagram-Account @herzhirnseele auf, nachdem Anna-Lena mir schon sehr geholfen hatte. Und ab und zu ein Beitrag für unsere Homepage gehört auch dazu. Zum Beispiel für die Sternsingeraktion, die am 8. Januar 2023 stattfinden wird.
Nachdem nun die digitale Präsenz der Gemeinde deutlich besser geworden ist, gibt es immer mehr Leute, die sich melden – einerseits aus Deutschland, weil sie auf Besuch zu den hier studierenden Kindern kommen oder weil ihre Kinder sich für Korea interessieren und die Eltern eine Anlaufstelle in Korea haben möchten – für den Fall der Fälle. Aber wir sind zwar auch, aber nicht nur für Notfälle da. Man darf auch gerne einfach so vorbeikommen. Oder anrufen.
Auch Anfragen zu Praktika in der Gemeinde hier gehören dazu – ab April ist zum Beispiel Ronja für 6 Monate bei uns, die gerade ihr Abitur schreibt. Auch liegt mir die Anfrage eines Seelsorgers aus Deutschland vor, der hier gerne mitarbeiten möchte. Wir werden sehen, was möglich sein wird – spannend ist das allemal. Und das Interesse an der deutschsprachigen Seelsorge in Korea wächst weiter – auch hier, und das ist die andere Seite, gibt es Anfragen aus dem Land – es spricht sich langsam herum, dass ich für das ganze Land zuständig bin.

Am 10. Dezember haben Pfarrerin Mi-Hwa Kong und ich in Busan im Südosten des Landes einen ökumenischen Gottesdienst im deutschen Honorarkonsulat gefeiert, an dem 32 Menschen teilgenommen haben. Das ist richtig viel! Und wir planen die nächsten Schritte. Zum Beispiel bin ich im Januar einen Tag mit Übernachtung dort und biete Gespräche an, künftig vielleicht einmal im Monat, das steht noch nicht fest. Ökumene ist uns beiden übrigens ein großes Anliegen.

Und aus Daegu, auch im Süden, haben sich auch schon Menschen gemeldet. Es muss halt alles machbar bleiben. Die Gabe der Bilokation ist mir weiterhin verwehrt. Aber vieles geht natürlich online, zum Beispiel mit Videogesprächen oder Email, oder mit Telefonaten. Ansonsten fahre ich hier gerne Zug – das Zugnetz ist super ausgebaut und sehr pünktlich. Und ich genieße das Zugfahren – in 2,5 Stunden bin ich in Busan und mit dem Auto wären es locker um die 6 Stunden. In den Zügen ist es sehr leise, weil es unhöflich ist, laut zu reden. Und nur sehr wenige Menschen telefonieren – wenn, dann eher mit leiser Stimme, auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen.
Der Advent war sehr gefüllt mit guten, aber auch anstrengenden Momenten. Nach Sankt Martin kam die Nikolausaktion, ökumenisch natürlich, wobei der Nikolaus auch im deutschen Kindergarten und an der deutschen Schule in fast allen Klassen auftauchte (die 12. Klasse hatte Klausur). Kommentar eines Kindes aus der zweiten Klasse: “Diesmal war der echte Nikolaus da!”
Auf Nachfrage von Mi-Hwa dann die Erklärung: letztes Jahr hatte der Nikolaus eine Jeans an, und das kann er nicht gewesen sein. Dieses Mal aber schon! (Die Redaktion hat Bischof Nikolaus um eine Stellungnahme gebeten. O-Ton: “Dieses Jahr war mir sehr kalt, daher habe ich unter der Albe noch meinen Talar getragen. Schließlich ist es in Myra in der Türkei deutlich wärmer.”)
Weitere Infragestellungen der Identität des Bischofs sind hier daher unangebracht.
Über Weihnachten sind viele deutsche Familien nach Europa zur Großfamilie gereist oder in die Tropen, um sich aufzuwärmen. (Und ich schreibe gerade dick eingemummelt unter mehreren Wolldecken diesen Artikel. Jetzt gerade ist es draußen eher warm mit minus 3 Grad Celsius, wir hatten letzte Woche minus 16 und es wird noch deutlich kälter werden. Da die Isolierung der Wohnung nicht mal koreanischen Ansprüchen gerecht wird und die Gaspreise auch hier explodieren sind wir zuweilen etwas zurückhaltend mit dem Heizen.)
Der Winter hier ist kalt, aber sehr trocken. Das hat zum Vorteil, dass die Wäsche viel schneller trocknet und wir viel Sonne haben bei oft strahlend blauem Himmel.
Da wir nun um die Klimazonen in Korea wissen (im Süden ist es bis zu 8 Grad wärmer, weil das schon fast subtropische Gegend ist) und wir eine Auszeit brauchten, haben wir nach Weihnachten eine Viertagestour durch Korea gemacht: Christine, Edgar und Anna-Lena. Das ist unsere, wie wir gerne sagen, 19jährige Adoptivtochter – sie ist kurz nach uns in Korea angekommen mit einem sogenannten Working Holiday-Visum, vergleichbar Work and Travel in Australien, und engagiert sich sehr in der Gemeinde.
Erste Station war Pohang an der Ostküste. Da habe ich so viele Fotos und Videos gemacht, dass mir die Auswahl richtig schwer gefallen ist. Dort gibt es zum Beispiel den 2021 von zwei Deutschen gebauten Spacewalk als besondere Attraktion.
Die meisten Bereiche kann man begehen, an einer Stelle bietet es sich aber nicht so an, das zu tun (und sie ist deswegen auch gesperrt):
Der Blick von da oben ist mehr als faszinierend.
Wir bestaunten ein Schatten-Licht-Spiel, aufgestellt von der Firma Posco, die die viertgrößte Stahlproduktion weltweit hat und in Pohang ihren Sitz.

Und wir machten uns vertraut mit der Legende von Yun-oh und Sae-oh. Christine und Anna-Lena sind da gleich mal pantomimisch eingestiegen.
In der Regierungszeit des achten Königs der Shilla-Dynastie, König Adalla (154-184), lebte ein Paar an der Küste, die hießen Yun-oh und Sae-oh. Eines Tages, es war im vierten Jahr der Regierungszeit von Adalla, stand Yun-oh auf einem Felsen und sammelte Seetang, als der Felsen anfing sich zu bewegen und ihn über die See nach Japan brachte. Die Japaner erkannten ihn als Mann mit besonderen Kräften und machten ihn zu ihrem König. Während dessen wartete Sae-oh auf ihren Mann und wunderte sich, dass er so lange wegblieb. Bei ihrer Suche nach ihm fand sie aber nur seine Schuhe auf einem Felsen. Sie kletterte hinauf und der Felsen löste sich ebenfalls vom Festland und brachte sie nach Japan. Die Japaner brachten sie zu ihrem neuen Königs, den sie als ihren geliebten Mann wiedererkannte – und so wurde sie Königin.
Zu dieser Zeit hörten Sonne und Mond auf, im Königreich von Shilla zu scheinen. Ein Gelehrter am Hofe deutete dies, dass Yun-oh und Sae-oh die Seele von Sonne und Mond nach Japan mitgenommen hatten. König Adalla schickte einen Boten nach Japan, um König und Königin anzuflehen, wieder zurückzukommen. Die Bitte wurde abgelehnt – Yun-oh sah sich durch den Willen des Himmels nach Japan gesandt. Stattdessen gab er dem Boten ein wunderschönes Stück Seide mit, von Sae-oh persönlich gewebt. Der Bote sollte den König Adalla auffordern, diese Seide in einer besonderen Zeremonie dem Himmel zu opfern. So geschah es, und die Sonne und der Mond begannen wieder zu scheinen. Die Seide kam daraufhin in die Schatzkammer der Palastes und wurde als nationaler Schatz verehrt. Er bekam den Namen “Schatz der Königin”.
Auch unser Ausflug direkt ans Japanische Meer hat sich gelohnt. Da gibt es nämlich eine berühmte Hand, die da aus dem Wasser ragt. Aber seht selbst:
Und die Umgebung der Hand lädt ein zum Verweilen:
Dort haben wir auch unser Neujahrsgrußvideo gedreht, mit Anna-Lena als Kamerafrau:
Was hat Christine hier vor?
Sie probt für ein Theaterstück, in dem sie Sae-oh spielen wird, die Seetang sammelt.
Zur Abrundung einige Momente unseres Ausflugs an das japanische Meer:
Von dort ging es weiter nach Busan. Im Vergleich zu Seoul ist das eine kleine Stadt, sie hat ja auch nur knapp vier Millionen Einwohner… Vor dem Autofahren dort war ich mehrfach gewarnt worden, weil es so schwierig sei und nicht so viele Regeln beachtet würden. Allerdings bin ich gut zurecht gekommen, weil es eine Regel gibt, an die sich die allermeisten halten: Jeder passt auf. Und dadurch ist das auch zu schaffen.
In Busan waren wir auf dem 120 Meter hohen Busan Tower.
Und wieder durften wir eine fantastische Aussicht genießen.

Das Innenleben des Busan Towers ist als farbenfroher Weg gestaltet. Ein Einblick:
In Busan haben wir den Leiter des Kinderheimes getroffen, das wir von der Gemeinde aus unterstützen. Er heißt Yuni. Und er brachte uns zu einem wunderbaren Abend mit vielen fröhlichen Gesprächen zu seiner Freundin und deren Tochter. Die Verständigung mit Eun-Yeong geht über Übersetzungsapp – und mit Yunis Hilfe, der in Deutschland studiert hat.
Am nächsten Tag hat Yuni uns ein paar der schönsten Orte in Busan gezeigt.
Wir waren im Haedong Yonggunsa-Tempel, dem einzigen, der am Meer liegt (normalerweise finden sich die Tempel in den Bergen). Die Aussicht und die Ansichten 😉 dort sind bemerkenswert:
Yuni und Eun-Yeong haben uns zum Essen eingeladen. Und zwar in das beste vegane Restaurant überhaupt.
Es heißt vege narang: vegan für mich.
Wir haben dieses Essen sehr genossen -und die Gesellschaft so lieber Menschen auch. Die Gegeneinladung zu uns nach Seoul ist schon ausgesprochen und wir freuen uns sehr auf die nächsten Begegnungen.
Wir haben dann noch eine besondere Aussicht genossen. Busan liegt ja am Meer, und wir wurden zu dieser Stelle hier gebracht:
(Das Foto hab ich dann auch zum Beitragsbild gemacht… Ich mag es einfach sehr.)
Nach vier Tagen des Sammelns von so schönen Momenten kamen wir nach sechs Stunden Autofahrt wieder in Seoul an. Herzliche Grüße!