04/06/2023

Ausflug zum Mond

Vor zwei Monaten, gerade war das Chuseok-Fest vorbei (Erntedankfest, wird immer am 15. Tag des achten Mondmonats gefeiert), wurde ich gefragt, welches Gebet ich denn zum Mond geschickt hätte. Ein anderer Mensch stand daneben und meinte sofort, ganz entrüstet: Du kannst das den Diakon doch nicht einfach fragen! Der darf das doch gar nicht, das ist gegen seine Religion.

Nun, es ist natürlich nicht Teil des christlichen Glaubens, zum Mond zu beten. Und die Frage fand ich jetzt schon ziemlich aufschlussreich. Neugierig wie ich bin, habe ich angefangen nachzulesen, was denn da dahinter steckt.

In Südkorea wird offiziell der gregorianische Kalender verwendet. Dennoch gibt es eine Besonderheit bei der Berechnung von Feiertagen: Hier geht es nach dem chinesischen Kalender – und der fokussiert auf den Mondzyklus. Der chinesische Kalender dient zusätzlich vielen astrologischen Fans, aber auch Feng-Shui-Meistern hier im Großraum Asien als Berechnungsgrundlage für die Terminierung von Festen oder von größeren Vorhaben wie den Bau eines Hauses. Auch die Vermeidung von bestimmten Aktivitäten an astrologisch “ungünstigen” Tagen ist im Blick.

Die koreanische Kultur ist nun schon 10.000 Jahre alt und hat in dieser Zeit Einflüsse aus allen umliegenden Ländern hier in Asien aufgenommen, ist aber stabil in ihrer Eigenheit geblieben. Der koreanische Mondkalender ist in 24 Wendepunkte unterteilt, die jeweils 15 Tage dauern. Das war vor allem in der prämodernen Zeit wichtig, als das Land sehr agrarisch strukturiert war. Heute verschwindet der Mondkalender langsam. Aber die großen Feste wie Seollal (Jahresbeginn, nächste Festtermine: 22. Januar 2023, dann 10. Februar 2024 und 29. Januar 2025);  Jeongwol Daeboreum (erster Vollmond), Dano (Frühlingsfest) und eben Chuseok richten sich weiterhin nach dem Mondkalender.

Schaut man das Land religionsgeschichtlich an, dann sind zwar der Konfuzianismus, der Taoismus und der Buddhismus (plus, inzwischen, auch das Christentum) als wichtigste Religionen zu nennen. Aber diese Religionen kamen von außen nach Korea, in der Regel über China. Dennoch muss als älteste Religiosität der Naturkult, der Totenkult und der Seelenkult genannt werden.  Daraus entwickelten sich drei Arten von Gottheiten: Himmelsgötter (Sonne, Himmelskörper [Mond!]), Erdgötter und Erdgeister (Berge, Steine, aber auch Bäume) und dazu noch Ahnengötter (dieser Kult ist aber nicht so ausgeprägt gewesen wie in China oder Japan). Der Himmel wurde vielfältig verehrt, vor allem im Schamanismus, als große persönliche Macht. Der Schamanismus ist bis heute (seit 4-5000 Jahren) die Hauptströmung der koreanischen Religiosität.

So ist diese Gesellschaft eben seit langer Zeit sehr geprägt vom Mond mit seinen Zyklen und seiner Strukturierung des koreanischen Jahres.

Entsprechend ausgerüstet mit Informationen war ich dann in Yeoju unterwegs und hab den Termin wahrgenommen, den ich vor über einem Jahr in meinen Kalender eingetragen hatte: totale Mondfinsternis in Korea: Dienstag, 8. November ab etwa 18.00 Uhr.

Mir war klar, dass ich in Seoul keine Chance haben würde, den Mond zu fotografieren, weil die Umwelt- und vor allem die LICHTverschmutzung viel zu groß ist und zudem die Dunstglocke kaum aufbrechen würde. Das war einer der Gründe, nach Yeoju zu gehen, wo es zwei Tage ziemlich diesig war, aber die meiste Zeit der Monfinsternis war es ziemlich klar – und wir haben am Waldrand einen Ort gefunden , an dem es ziemlich dunkel war.

 

Ich habe einfach ein paar Experimente gemacht und mit Blende und Verschluss gespielt – und war froh über mein großes Teleobjektiv (100 – 400 mm). Zu beobachten, wie der Erdschatten immer mehr das Sonnenlicht “wegschiebt” ist für mich immer wieder faszinierend.

 

 

 

Das Bild des komplett orangen Monds war dann schon wieder etwas verhangen durch ein paar Wolken. Ich finde aber, es hat sich gelohnt. Und auch wenn ich generell nicht zum Mond bete, ist doch dieses Naturschauspiel etwas sehr schönes.

Die nächste totale Mondfinsternis ist am 14. März 2025. Zu sehen im Pazifik, Nord- und Südamerika, Europa und Afrika. Dann muss ich mal schauen, wohin die Reise geht 😉

Herzliche Grüße in alle Welt!

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