04/06/2023

Im Deutschen Dorf

374 km von Seoul entfernt, an der Südküste, liegt die Insel Namhae, auf der ein besonderer Ort zu finden ist:

Das Deutsche Dorf 남해독일마을.

남해 Namhae   독일 Togil = Deutsch 마을 Ma-eul = Dorf

Vor 50-60 Jahren gingen Hunderte, ja Tausende von Koreanerinnen und Koreanern nach Deutschland und arbeiteten dort als Krankenschwestern und im Bergbau. Als sie auf das Rentenalter zugingen, bot die Regierung von Namhae ihnen ab 2003 zu günstigen Konditionen Land an, auf dem in deutscher Bauweise 42 Häuser entstanden – das Deutsche Dorf.

Die allermeisten Baumaterialien und die Art des Hausbaus wurden aus Deutschland importiert. Einige Bewohner sind inzwischen verstorben; das Dorf entwickelt sich immer mehr zur Touristenattraktion mit manch negativen Begleiterscheinungen.

Wir waren dort hingefahren, weil das Ehepaar Youngsook und Armin Theis dieses Jahr 50 Jahre verheiratet sind und wir eingeladen waren, einen Gottesdienst dort zu feiern. Der fand im Wohnzimmer statt. Wir haben gesungen und gebetet und uns über den Glauben unterhalten, und die Fürbitten waren besonders intensiv. Vielen Dank dafür!

Youngsook und Armin haben sich in Deutschland kennen gelernt;
sie hat Jahrzehnte als Krankenschwester gearbeitet und er,
zunächst gelernter Metzger, baute sich ein eigenes Transportunternehmen auf. Das Beitragsbild zeigt das Schild an ihrem Haus – die Häuser dort sind nach den Herkunfts- oder Wohnstädten in Deutschland benannt. Und Armin ist ein echter Meenzer Bub.

Die Versprechen der koreanischen Abgesandten damals in Deutschland klangen gut: Es sollte auf alle Wünsche eingegangen werden. Die beiden wünschten sich, eine Metzgerei und eine Bäckerei aufzubauen sowie eine Frühstücksstube. Leider sah die lokale Verwaltung das dann aber ganz anders und wollte eine reine Wohngegend; erst jetzt, nach 17 Jahren, hätte man ihnen die Genehmigungen gegeben – aber der Mensch wird nunmal nicht jünger.

Probleme machen die vielen Touristen, die natürlich dennoch zunächst willkommen sind – bei Familie Theis gibt es eine kleine Ferienwohnung, die fast immer ausgebucht ist, und die mit deutschem Frühstück angeboten wird. Youngsook versteht sich als Botschafterin der deutschen (Ess-)Kultur und deutschen Tugenden wie Reinlichkeit und Pünktlichkeit.

Da sich die Touristen sich aber oft nicht an notwendige Regeln halten und zum Beispiel wild parken, gibt es immer wieder Ärger. Leider hat der Landrat die Polizei angewiesen, nicht einzugreifen, weil die Touristen nicht verschreckt werden sollen.

Hier findet man in Stein gehauen die Namen aller Bewohner und Bewohnerinnen des Deutschen Dorfes

Das Deutsche Dorf wird bewohnt von Deutschen und Koreanern gleichermaßen. Wer vier Jahrzehnte in Deutschland gearbeitet und gelebt hat, nimmt so manche deutsche Sichtweise auf. Andere haben versucht, ganz schnell wieder koreanisch zu werden nach ihrer Rückkehr. Wie auch immer: Alle verbindet, dass sich die koreanische Welt in ihrer Abwesenheit radikal verändert hat. Und wenn der in Deutschland emeritierte koreanische Professor für Wasserbau die Verwaltung in Namhae darauf aufmerksam macht, dass die in der Straße verlegten Wasserrohre deswegen so oft kaputt gehen, weil sie mit dem ursprünglichen Aushub zugeschüttet wurden und nicht mit Sand oder kleinen Steinen, dann heißt das noch lange nicht, dass man auf diese Expertise Rücksicht nehmen würde.

 

Die Bewohner vom Togil Maeul sind geerdet. Es gibt hier einen eigenen Friedhof, auf dem nicht nur die Grabstellen schon festgelegt sind,
sondern auch die Grabsteine schon da sind, auf denen nur noch die Todestage fehlen.

 

 

 

Das Dorf hat durchaus eine eigene Dynamik. Jede kennt jeden und jeder kennt jede, und man hält dort zusammen. Die gemeinsame Geschichte schweisst zusammen. Und die verschiedensten Talente werden für die Gemeinschaft eingesetzt: So produziert die Familie Theis in wahrlich professionell ausgestatteten Räumen einmal pro Woche Brot und Fleisch und Wurst in ihrem Erdgeschoss – Produkte, die sehr gerne abgenommen werden und mit denen wir auch reichlich bedacht wurden. Auch wenn die Mengen inzwischen etwas reduziert sind, ist immer noch reichlicher Vorrat vorhanden. Prominente Abnehmerin war früher sogar die Deutsche Botschaft.

 

Es gibt noch vieles zu entdecken. Wir werden wiederkommen.

 

%d Bloggern gefällt das: